Kurzgeschichten

Der Schuh auf dem Dach 
(Kurzgeschichte zum Wettbewerb auf www.bequeen.de)

Müde schleppte sich Tom von der Arbeit nach Hause.
Dreizehn Stunden hatte er jetzt durchgearbeitet und war hundemüde. Wenigstens war sein Chef diesmal dankbar dafür gewesen das er ohne zu murren Überstunden gemacht hatte.
Schon wieder. Und so konnte Tom seinen kleinen Wunsch durchsetzten.
Er bekam morgen früh endlich neue Arbeitskleidung. Seine alten Sachen waren schon verwaschen und löchrig.
Normalerweise bekamen die Mitarbeiten von „Cleanwater & Co.“ nicht einfach so eine neue Montur.
Der Boss hatte heute wirklich gute Laune gehabt. Nun, ihm sollte es egal sein. Noch ein paar Minuten bis zu Hause.

Als Tom den Schlüssel in das Schloss seiner Wohnung steckte, hörte er schon von drinnen seine Frau reden. Sie hatte wieder einmal schlechte Laune.
Tom wappnete sich kurz vor dem, was ihm bevorstehen mochte, atmete einmal tief durch und drehte den Schlüssel um.

„Papa, Papa“ rufend kam ihm sein kleiner Sohn stürmisch entgegen gelaufen und warf sich ihm in die Arme.
Dafür lohnte sich alles. Die Überstunden um seine kleine Familie mit dem Gehalt durch den Monat zu bringen.
Seine unzufriedene Frau, die schlechte Laune hatte weil sie ihn kaum noch zu Gesicht bekam und die große Müdigkeit, die ihn immer abends überkam.
Doch er wurde sofort aus den Gedanken gerissen, seinen Sohn noch immer auf dem Arm, als er seine Frau hörte: „….müssen endlich mal wieder geputzt werden!“.

„Entschuldige, ich habe nur die Hälfte verstanden. Was muss mal wieder geputzt werden?“ fragte Tom müde.

„Die Fenster. Hörst du mir eigentlich überhaupt nicht mehr zu?“
„Doch. Natürlich. Kann das nicht bis später warten? Ich möchte erstmal etwas essen.“

Essen.Oh ja. Jetzt, wo Tom erstmal sein Hunger eingefallen war, konnte er an nichts anderes mehr denken.
Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Nur Kaffe getrunken. Mit Milch und Zucker, wie er es gern hatte.
Dabei musste er seinen Arbeitkollegen zuschauen, wie sie sich beim Bäcker voll stopfen.
Für Tom kam teueres Auswärtsessen nicht in Frage. Nicht seitdem seine Frau den Job verloren hatte.
Seine Stullen mitnehmen, wie ein kleines Mädchen, wollte er aber auch nicht. Also aß er den ganzen Tag gar nichts.

„Du kannst danach essen. Marlon geht gleich ins Bett und dann kannst du sein Fenster wieder nicht mitputzen.
Ich habe dir aber etwas vom Mittagessen aufgehoben, das mache ich dir in der Zwischenzeit warm.“ riss ihn seine Frau aus den Gedanken.
Resigniert trollte Tom sich und holte seinen Eimer mit Wischer. Sein Arbeitszeug. Er begann erst einmal damit die Fenster von innen zu putzen.
Tom sah ja ein dass er mit den Fenstern doppelt – nein dreimal – so schnell war wie seine Frau.
Immerhin hatte er drei Jahre lang in seiner Ausbildung die richtige Technik gelernt, aber konnte sie ihm nicht einmal diese lästige Arbeit abnehmen.
Nie verstand sie, dass er seinen Beruf hasste und nicht daheim auch noch daran erinnert werden wollte.
Und dann noch diese Abfälligen Bemerkungen über sein Leder.
Musste sie sein teures Arbeitsleder jedes Mal „Lappen“ nennen? Immerhin brachte er damit das Geld nach Hause.
Und es hörte sich an als wäre er eine Putzfrau – und nicht gelernter Gebäudereiniger.

Nachdem Tom mit den Innenseiten der Fenster fertig war, machte er es sich leicht und kletterte aus dem Flurfenster hinaus aufs Vordach.
Dort begann er dann die Fenster von außen zu reinigen. So konnte er von draußen seine Frau uns seinen Sohn beobachten.
Wie sie ihm half die Zähne zu putzen und ihn in seinen grünen Schlafsack steckte.
Dann setzten sich die beiden auf einen Sessel, kuschelten sich aneinander, und seine Frau begann Marlon noch bei gedämmtem Licht eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen.
Dieses friedliche Bild war Tom so vertraut, dass er fast vergaß warum er eigentlich auf dem Vordach stand. Er wusste, dass sich für dieses Bild die Strapazen lohnten.
Seine Frau meinte es ja nicht schlecht mit ihm, wenn sie ihn antrieb und ihn vermisste. Auch für sie war es schwer. Schnell beeilte er sich noch mit dem letzten Fenstern und ging voller Vorfreude auf sein Abendbrot zum Flurfenster zurück.
Innere Ruhe breitete sich in Tom aus. Nun hatte er endlich Feierabend und konnte das Tagesende genießen.
Aber während er wieder in die Wohnung kletterte blieb er mit seinem Fuß am untersten Fensterrand hängen und verlor dabei einen Schuh, der zurück auf das Vordach kullerte.
Tom schaute kurz zurück, zog dann aber auch das zweite Bein in die Wohnung und dachte: „Egal, den Schuh hole ich morgen, oder übermorgen, oder beim nächsten Mal wenn ich die Fenster putze. Morgen gibt es ja sowieso neue Arbeitskleidung“.






„Die Sternensuche“

Eine Vorlesegeschichte

Rocco liebte die Sterne am Himmel. Deshalb musste seine Mutter ihm jeden Abend wenn Schlafenszeit war noch „Weißt du wie viel Sternlein stehen…“ vorsingen während er die Sterne von seinem Bett aus beobachtete. So auch an diesem Abend.
Mitten in der Nacht jedoch wachte Rocco mit einer dunklen Vorahnung auf. „Julius, Julius“ rief er plötzlich und weckte seinen kleinen Bruder. „Schau dir den Nachthimmel an! Alle Sterne sind verschwunden. Sieh mal wie dunkel es nun draußen ist“. Schlaftrunken rieb Julius sich die Augen und konnte kaum glauben was Rocco ihm dort erzählte. Aber tatsächlich, alle Sterne waren verschwunden. Nur der Mond leuchtete noch einsam und verlassen am Himmel. Die Brüder waren sehr traurig darüber und beschlossen sofort die verloren gegangenen Sterne zu suchen. Nur Beppo den Clown packten sie noch zur Unterstützung in einen Rucksack ein.

Nun wussten sie aber nicht wo sie mit der Suche anfangen sollten, als ihnen der Mann im Mond zuwinkte und eine Leiter zu ihnen hinunterließ. Geschwind kletterten die Jungen daran hinauf und begrüßten den alten bärtigen Mann, der sich als „Herr Silbermann“ vorstellte. „Die Sterne sind verschwunden und auf der Erde ist es ganz dunkel. Herr Silbermann, wo sollen wir nur anfangen zu suchen? Weißt du wer die ganzen Sterne geklaut hat?“ riefen Rocco und Julius gleichzeitig. „Immer mit der Ruhe“ antwortete der Mann im Mond. „Ich weiß leider auch nicht wohin mein Sternenmeer so plötzlich verschwunden ist. Ich habe es verloren. Darum habe ich meine Leiter zu euch herab gelassen um euch um Hilfe zu bitten. Am besten fangt ihr mit der Suche bei einem der Planeten an. Mit meinem Raumschiff könnt ihr als erstes zum Pluto fliegen“. Gesagt, getan. Die Brüder quetschten sich in das kleine blaue Raumschiff und flogen zum Pluto. Dort angekommen wimmelte es nur so von fleißigen Zwergen. Doch diese wussten auch nichts über den Verbleib der Sterne, empfahlen den beiden aber die Suche bei Herrn Merkur fortzusetzen. Mit vielen guten Wünschen und Zwergenbrot im Gepäck fanden sich Rocco und Julius nun als nächstes bei Herrn Merkur ein. Dieser störrische alte Mann ritt bei ihrer Ankunft gerade auf dem Sonnenwind und verfluchte die verschwundenen Sterne. Ohne ihr Licht konnte er nämlich bei seinen Ausritten nicht den rechten Weg finden. Jedoch hatte er den Tipp, auf dem Mars weiter zu suchen. Die Jungs sollten dort allerdings sehr vorsichtig sein. Damit hatte Herr Merkur nicht ganz Unrecht. Der Mars war ein ganz fürchterlicher Planet – ganz rot und rostig. Und seine Bewohner waren ein kriegerisches Volk das keine Besucher duldete. Julius und Rocco hatten trotzdem Glück. Da die Einwohner den Sternenstaub für ihre Waffen benötigten, waren auch sie daran interessiert die Sterne zurück zu gewinnen und gewährten den Reisegefährten eine Audienz. Der König bot dann während des Treffens an, ihnen den Weg zur Venus zu zeigen. Denn seiner Meinung nach konnten nur die eitlen Frauen dieses Planeten die Sterne geklaut haben. Doch dort angekommen merkten die Brüder bald dass diese Frauen nichts mit dem Sternenschwund zu tun hatten. Sie waren so sehr damit beschäftigt sich gegenseitig zu anzuhimmeln, dass sie noch gar nicht gemerkt hatten dass die Sterne überhaupt verschwunden waren. Überall hingen an diesem sonderbaren Ort Spiegel, damit man sich selbst bewundern konnte. Die Flüsse waren aus Milch, worin einige Bewohnerinnen badeten und auf den Wiesen standen Liegestühle, in denen sich wieder andere sonnten. Auf Hilfe von diesen Frauen konnten Rocco und Julius lange warten und so waren sie schon nahe der Verzweiflung. Sie wussten nicht an wen sie sich jetzt wenden sollten. Besorgt setzten die beiden sich an einen Strand des von Frauen bevölkerten Planeten und sprachen aus lauter Mutlosigkeit kein Wort miteinander, als unerwartet Hilfe nahte. Aus dem Wasser tauchte jäh Neptun der Meeresgott auf und lud die beiden in sein Unterwasserschloss ein. Durch besondere Magie, die Neptun mit seinem Dreizack beschwor, konnten Julius und Rocco nun auch unter Wasser atmen und nahmen die Einladung gerne an. Sie bestaunten diese fantastische Unterwasserwelt voller Fische, Nixen, Seeschlösser und Schätze so sehr, dass sie fast vergaßen weshalb sie überhaupt hier gelandet waren. Doch beim abendlichen, gemeinsamen Essen, das aus Seetang und Muscheln bestand, erklärte Neptun ihnen das er sie mit seiner Zauberkugel beobachtet habe und von ihrem Unterfangen wüsste. Da die Sterne seine Freunde waren wollte er den beiden helfen und riet ihnen sich an Uranos den Eisriesen zu wenden. Die Brüder bedankten sich ganz herzlich für die Gastfreundschaft und Hilfe und machten sich sofort auf den Weg zum Eisriesen. „Uranos“ riefen sie. „Kannst du uns helfen die Sterne zu finden? Du bist doch so groß das du alles mitbekommst was auf der Welt geschieht!“. Doch auch Uranos konnte den beiden nicht weiterhelfen. Jedoch schickte er die beiden guten Gewissens zu seiner Freundin Titania, die auf dem Saturn lebte. Auf dem Saturn wurden sie ebenfalls mit aufrichtiger Freude von Titania empfangen, sie sich sofort nach Uranos erkundigte. Uranos und Titania hatten sich seit Ewigkeiten nicht gesehen und Titania wollten ihren alten Freund sofort nach Roccos und Julius Abreise einen Besuch abstatten. Vorher dennoch flog sie mit beiden zu ihrem Vater Jupiter. Jupiter war allwissend und hatte die beiden schon erwartet, weshalb bei ihm schon eine dampfende Kanne Tee auf dem Herd stand. Nachdem er den beiden von dem heißen Getränk eingeschenkt hatte, erzählte er ihnen dass sich die Sterne hinter den Wolken verstecken würden. Er selbst hätte schon auf ihren Besuch gewartet um ihnen den Weg dorthin zu weisen. Rocco und Julius konnten ihr Glück kaum glauben. Nach so einer langen Reise waren sie ihrem Ziel – den Sternen – nun endlich nahe gekommen. Voller Vorfreude flogen sie, noch immer mit Herrn Silbermanns blauem Raumschiff, nach Jupiters Wegbeschreibung zu den Wolken. Und tatsächlich, dort versteckten sich alle Sterne zitternd hinter der größten Wolke. Auf die Frage, warum sie sich so bange verstecken würden, antworteten die Sterne im Chor: „Wir haben Angst vor der Sonne. Jeden Morgen vertreibt sie uns. Irgendwann wird sie uns mit Sicherheit noch nicht einmal mehr nachts heraus lassen“. Nach langem, gutem Zureden konnten die Sterne aber doch davon überzeugt werden das sie vor der Sonne keine Angst zu haben brauchten. Und als Julius ihnen dann auch noch erklärte dass sie Sonne ja auch abends von den Sternen vertrieben werde, sprangen alle Sterne glücklich an ihren Himmelsplatz zurück.


Freudestrahlend und stolz brachten Rocco und Julius nun das Raumschiff zu Herr Silbermann zurück. Herr Silbermann konnte sich gar nicht genug bei den beiden bedanken. Um sich für die große Hilfe erkenntlich zu zeigen verwandelte er den Lieblingsclown der beiden, der auf der ganzen Reise dabei gewesen war, zum leben. Und so kletterten die drei – Julius, Rocco und Beppo – fröhlich die Leiter zu ihrem Zimmer hinab und schworen sich, dieses Abenteuer für immer als Geheimnis für sich zu bewahren.

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