„Genauso war Sam: vergänglich. Ein Blatt – ein Stück Sommer, das sich so lange wie möglich an einem gefrorenem Zweig festklammerte.“
Jeden Winter wartet Grace darauf, dass die Wölfe in die Wälder von Mercy Falls zurückkehren – und mit ihnen der Wolf mit den goldenen Augen. Ihr Wolf.
Ganz in der Nähe und doch unerreichbar für sie, lebt Sam ein zerrissenes Leben: In der Geborgenheit seines Wolfsrudels trotzt er Eis, Kälte und Schnee, bis die Wärme des Sommers ihn von seiner Wolfsgestalt befreit. In den wenigen kostbaren Monaten als Mensch beobachtet er Grace von fern, ohne sie jemals anzusprechen – bevor die Kälte ihn wieder in seine andere Gestalt zwingt.
Doch in diesem Jahr ist alles anders: Sam weiß, dass es sein letzter Sommer als Mensch sein wird. Es ist September, als Grace den Jungen mit dem bernsteinfarbenen Blick erkennt und sich verliebt. Doch jeder Tag, der vergeht, bringt den Winter näher - und mit ihm den endgültigen Abschied.
Von Werwölfen hat man in letzter Zeit zwar schon viel gelesen, aber die Wölfe von Mercy Falls sind einfach anders. Es fängt schon damit an, dass sie Wetterfühlig sind. Bei niedrigen Temperaturen, wie im Winter, nehmen die Menschen Wolfsgestalt an – für die ganze Jahreszeit – und im Frühling/Sommer wärmen die Sonnenstrahlen den Wolf auf und verwandeln ihn wieder zum Menschen. Wobei die menschlichen Sommer auch nicht von Dauer sind, da die Werwölfe in diesem Roman irgendwann ganz in ihre Wolfsgestalt gezwungen werden und sich nicht mehr zurück verwandeln können.
Und so finde ich es wunderbar wie feinfühlig Maggie Stiefvater den Herbst und den Winter mit seinen Temperaturschwankungen beschrieben hat. Es fehlt auch nicht an Erklärungen warum die Wölfe nicht einfach in wärmere Regionen ziehen, um einer Verwandlung zu entgehen. Alles ist sehr gut durchdacht und am Ende bleibt wirklich nicht die kleinste Frage offen. Einfach toll.
Sam und Grace sind als Figuren sowieso wunderbar ausgearbeitet. Beide sind einfach sympathisch. Grace ist das eher moderne Mädchen, das von den Wölfen fasziniert ist. Da ihre Eltern sich nicht um sie kümmern, musste sie schon früh erwachsen werden. Grace hat mit Kunst und Kultur eher wenig am Hut, während Sam von der Muse geküsst wurde. Er liest Gedichte (am liebsten Rilke), spielt Gitarre, hat ein gutes Kunstverständnis und bringt Grace dies alles näher. Er geht dabei sehr sensibel mit ihr um, ist sanft, liebevoll, fast schüchtern und hat eine Art an sich, die man einfach lieben muss. Wie sein Mentor Beck immer sagt: „Er ist der Beste“! Und das, obwohl beide aufgrund ihres sozialen Hintergrundes eher Mängelexemplare sind.
Grace und Sam – obwohl sie sich aus der Ferne schon seit Jahren liebten, haben sie erst jetzt zueinander gefunden. Sam verbringt seinen letzten Sommer als Mensch, wird sich danach für immer verwandeln. Sie wissen es und versuchen das Beste daraus zu machen. Sam ist so sanft und vorsichtig, man hat immer das Gefühl das er Angst hat in diesen letzten Momenten etwas falsch zu machen.
Besonders gut hat mir die Aufteilung der 67 Kapitel um Sam und Grace gefallen.
Denn unter jedem Kapitel steht die Gradzahl, damit man sich eine Vorstellung von den klimatischen Verhältnissen machen kann.
Die Kapitel selbst sind dann aufgeteilt in Sam oder Grace. Beide erzählen die Geschichte in der jeweiligen Ich-Perspektive, wodurch manche Ereignisse natürlich aus beiden Sichtweisen beleuchtet werden. Das ist insofern gut, dass man sich beide Hauptfiguren hinein versetzen kann, beide mag und beide versteht.
Die Buchaufmachung ist übrigens genau so schön wie der Inhalt des Buches.
Das Cover ist in Herbstfarben gehalten und zeigt Grace, die auf einen Wolf zugeht. Zwischen ihnen schweb ein rotes Herz. Unter Grace und dem Wolf sind eine grüne Wiese und ein paar Äste, von denen bunte Herbstblätter herunter fallen. Grace und der Wolf, sowie der Titel „Nach dem Sommer“ sind als einziges klar hervor gehoben. Wobei der Titel noch mit Spotlack hervor gehoben ist. Der Rest wirkt irgendwie verschwommen, vergangen. Das Cover gibt also wunderbar die Stimmung des Buches wieder. Passend dazu gibt es übrigens ein orangenes Lesebändchen.
Wer wissen möchte warum gerade fallende Herbstblätter so wichtig für das Cover sind, der sollte sich diese Sätze aus dem Buch durchlesen:
„Für jedes bekommt man einen glücklichen Tag, wusstest du das?“
Ich verstand nicht, was er meinte, auch nicht, als er die Hand öffnete und mir die zerknickten Blätter darin zeigt.
„Einen glücklichen Tag für jedes fallende Blatt, das man fängt.“
„Nach dem Sommer“ zählt ab sofort zu meinen Lieblingsbüchern. Schon ab der ersten Seite merkt man wie wundervoll jede einzelne Seite dieses Romans ist.
Es war so traurigschön, dass ich es gar nicht mehr aus der Hand legen wollte. Als hätte man ein Buch gelesen, nach dem man schon immer gesucht hat. Lesen!
Vielen herzlichen Dank an den Script 5 Verlag für die Übersendung dieses wundervollen Belegexemplars.
Das hört sich ja voll schön an!
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