Mittwoch, 6. Juni 2012

Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry von Rachel Joyce

Harold Fry
Die Wanderung, das ist der Sinn

 »Ich bin auf dem Weg. Du musst nur durchhalten. Ich werde Dich retten, Du wirst schon sehen. Ich werde laufen, und Du wirst leben. «

 Der pensionierte Harold Fry weiß nicht was er seiner früheren Kollegin Queenie Hennessy antworten soll, die sich nach Jahren mit einem Abschiedsbrief bei ihm meldete. Queenie hat Krebs und liegt im Sterben. Als Harold schließlich eine Antwort verfasst hat, will er diese nur schnell zum nächsten Postkasten bringen und beginnt damit eine Wanderung durch ganz England. Er kann nicht aufhören zu laufen und pilgert von Südengland bis an die schottische Grenze um Queenie zu retten. Während seiner Wanderschaft begegnet Harold allen möglichen Menschen, die ihn mit seiner eigenen Sichtweise und seiner Vergangenheit konfrontieren. Menschen, die ihm Geschichten erzählen und Harold Kraft geben. Auch durch ihre Hilfe findet Harold Fry zu sich selbst zurück und läuft 1000 Kilometer mit nur einem paar Segelschuhen!

Als mich „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des HaroldFry“ erreichte, habe ich mich riesig gefreut ein Teil von Harold Frys Reise sein zu dürfen. Neugierig, aufgrund der großen Lese-Wanderung-Aktion vom Verlag, fing ich dann auch gleich an zu lesen. Direkt zu Anfang merkte ich dann schon dass mich dieses bewegende Buch zur rechten Zeit erreichte. Auch ich mache gerade keine einfache Zeit durch und so sind mir gerade folgende Sätze in reger Erinnerung geblieben:

„Man muss glauben. Meine ich jedenfalls. Es geht gar nicht um Medizin und das ganze Zeug. Man muss daran glauben, dass ein Mensch wieder gesund werden kann. Unser Geist ist viel größer, als wir begreifen. Wenn wir fest an etwas glauben, können wir alles schaffen.“

Ich kann gar nicht beschreiben wie viele wunderbare Sätze, Begegnungen, Wahrheiten und Erkenntnisse in diesem außergewöhnlichen Roman stecken.  Rachel Joyce hat einen sehr gefühlvollen Roman geschrieben, der mich mit seinen Emotionen richtig gepackt hat. Der Schreibstil ist so fesselnd und die Geschichte so berührend, das man Harold am liebsten unterstützen möchte. Wie gerne hätte ich ihn auf eine Tasse Tee zu mir gebeten, damit er sich ausruhen und wir einen Plausch halten können. Man möchte ihm Halt geben und gleichzeitig an seinen einfachen Weisheiten teilhaben.
Die Atmosphäre im Buch ist dabei so natürlich, das sie fast greifbar wirkt. Gewöhnliche Handlungen und Orten werden so beschrieben, dass sie nicht langweilig wirken sondern die Geschichte auflockern.

Harold Fry ist ein Mann, der eigentlich für jeden von uns stehen könnte. Von Schicksalsschlägen gebeutelt ist er ein gebrochener Mann, dessen Frau  Maureen ihn selbst nicht mehr ernst nimmt und dessen alltägliche Ehe festgefahren ist. Erst durch die Pilgerreise für Queenie hat er wieder ein Ziel im Leben. Harold begegne in dieser Zeit vielen Menschen, deren Geschichten ihn überraschen und bewegen. Er wird  mit schmerzhaften Erinnerungen konfrontiert und schnell stellt man fest, dass die Reise weder physisch von psychisch leicht ist. Die Pilgerreise ist nicht nur eine Wanderung zu Queenie, sie ist auch eine Wanderung durch Harolds Leben und ein ungewollter Selbstfindungstrip.
Was für eine Wandlung er vollzieht kann man an folgenden Ausschnitten erkennen:

„War das der Lauf der Dinge? Dass er immer, wenn er etwas tun wollte, genau einen Augenblick zu spät kam? Alle Bruchstücke eines Lebens letztlich loslassen musste, als ergäben sie keinen Sinn? Das Bewusstsein seiner Hilflosigkeit drückte Harold so nieder, dass ihm ganz schwach wurde.“

Etwas später dann hat er die ersten Erkenntnisse getroffen:

„Ich bin kein besserer Mensch als alle anderen. Wirklich nicht. Jeder kann tun, was ich tue. Aber man muss loslassen. Das wusste ich anfangs nicht, aber jetzt weiß ich es. Man muss die Dinge loslassen, von denen man glaubt, dass man sie unbedingt braucht, zum Beispiel Bankkarten, Handys, Landkarten und so.“

Auch Maureen beginnt sich im Laufe der Handlung endlich mal anders wahr zu nehmen. Sie beginnt sich und ihr Leben einmal von außen zu sehen und begreift ihre Fehler. Da sie Harold immer als schwachen Menschen angesehen hat, traut sie ihm sein Vorhaben erst nicht zu. Doch als er immer länger fort ist, reflektiert Maureen ihre Vergangenheit bis sie irgendwann fast nur noch aus Erinnerungen besteht.

Warum Harold Queenie so tief verbunden ist, erfährt man natürlich auch. Doch ist es etwas gänzlich anderes, als sich zu Anfang vermutet lässt. Eine so selbstlose Tat, das man um das Schicksal dieser Frau weinen möchte.

Der Schutzumschlag dieser Hardcoverausgabe ist schlicht gehalten und besticht mit seiner Einfachheit. Man sieht lediglich Harolds unscheinbare Segelschuhe, in denen eine große Geschichte steckt. Auf den großen Buchstaben des Titels sitzt ein Rabe und die Rückseite ziert eine Postkarte mit Harolds Worten an Queenie. Ich weiß nicht warum, aber selbst die Farben passen zu Harolds Pilgerreise und ich könnte mir kein anderes Cover für dieses wunderbare Buch vorstellen!
Im Anhang gibt es dann auch noch eine schöne Karte, auf der Harolds Pilgerreise durch ganz England eingezeichnet ist.
Ich liebe dieses besondere Buch, das einem quasi entgegenschreit: ES IST NIE ZU SPÄT. Auch wenn man Fehler begangen hat, Geheimnisse einen erdrücken oder man an Selbstzweifeln erstickt und blind für die Wahrheit ist, es ist nie zu spät wenn man den Mut und die Kraft hat wieder zu sich selbst zurück zu finden.
Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ ist eine gefühlvolle Lektüre mit schwierigen Stellen. Doch wer die Stärke darin erkennt, der wird dieses Buch lieben.


Hier kommt ihr zu einer Leseprobe KLICK

Die Karte von Harolds Reise gibt es hier KLICK

Die Aktionsseite auf Facebook findet ihr hier KLICK

Autoreninfo:
Rachel Joyce weiß, wie man Menschen mit Worten ganz direkt berührt. Die Autorin hat über 20 Original-Hörspiele für die BBC verfasst und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet. Daneben hat sie Stoffe fürs Fernsehen bearbeitet und auch selbst als Schauspielerin für Theater und Film gearbeitet. ›Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry‹ ist ihr erster Roman. Er erscheint in über 30 Ländern auf der ganzen Welt. Rachel Joyce lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Gloucestershire auf dem Land.


Mein herzlicher Dank für das Rezensionsexemplar geht an den Krüger Verlag


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