Samstag, 4. Dezember 2010

Dunkelstein – Robert Schindel

Ich bin Saul Dunkelstein, Rabbiner, Funktionär. In mir sehen Sie den letzten der Ungerechten, ich bin der Übriggebliebene, auf den euer Hass geht. Und das ist die Geschichte: Dunkel.“

Als sich Saul Dunkelstein als Leiter der Auswanderungsabteilung der Israelitischen Kultusgemeinde in den Dienst der Nazis stellt, sind seine Tischgenossen in den Wiener Kaffeehäusern zunächst empört. Das Verdienst des Rabbiners ist zwiespältig. Aus Sicht der Nazis sorgt er für eine reibungslose Deportation der Juden nach Osten, in seinen Augen aber drängt er sie zur raschen Emigration und setzt damit lebensrettende Maßnahmen.  Da bleibt die alles entscheidende Frage: Paktiert Dunkelstein mit den Nazis oder hat er sich zugunsten der jüdischen Gemeinde mit ihnen arrangiert?

Dieses Lesedrama wird in drei Akten erzählt und verwebt dabei gekonnt Vergangenheit und Gegenwart. Schauspieler diskutieren über Begebenheiten während des Nationalsozialismus und bringen ihre verschiedenen Standpunkt zum Ausdruck, während andererseits aus dem Leben von Saul Dunkelstein zu Hitlers Zeiten erzählt wird. Saul Dunkelstein, der viele Juden rettete, andere opferte und von seinem eigenem Volk verflucht und gehasst wurde.
Die mannigfaltigen Charaktere und Blickwinkel bringen das damalige Dilemma zum Ausdruck, dem sich die Menschen seinerzeit stellen mussten. Ich denke dass auch jeder Leser anders über die beschriebene Tragödie denken wird. Es ist jedem offen gelassen ob er Saul Dunkelstein als Held oder Mörder sehen möchte.

Das Buch beginnt übrigens ganz klassisch mit einem Personenregister, bei dem man sich direkt einen Überblick über die Akteure verpassen kann. Dann gibt es einen kurzen Prolog und schon beginnt der erste Akt.
Anfangs war es für mich, ehrlich gesagt, etwas schwer mich einzulesen. Vor allem das Jiddisch war gewöhnungsbedürftig, weshalb ich sehr dankbar für das Glossar mit Begriffserläuterung war. Ohne diesen Anhang hätte ich doch des Öfteren „auf dem Schlauch gestanden“.

Ergreifend, das muss ich einfach erwähnen, war für mich die Widmung des Buches, in der Schindel kurz und knapp jenen dankt, die ihm während des 2. Weltkrieges das Leben gerettet haben. Da merkt man wieder einmal wie wenig Zeit seit diesem Drama eigentlich erst vergangen ist. Und doch ist uns kaum noch bewusst, das immer noch Menschen unter uns leben, die den Nationalsozialismus mit- und überlebt haben.
Im Nachwort erklärt Schindel dann übrigens noch einmal die wahren Hintergründe und das Dilemma seines Romans; was gleichzeitig bewegend und verängstigend ist.

Die Umschlagsgestaltung  passt zwar zum Roman, spricht mich aber eher nicht an. Das Cover ist ganz in schwarz-weiß gehalten und lässt mich persönlich an Schwarz-Weiß-Denken denken. DUNKELSTEIN soll aber auch zum nachdenken anregen und daran erinnern das es auch Grautöne gibt. Daher fände ich es schön, wenn im Cover auch die Farbe grau enthalten wäre.
Das ist jetzt aber nur meine persönliche Meinung!

Fazit: Bestimmt kein Buch für Jedermann. Aber das soll es meines Erachtens auch nicht sein. Wer jedenfalls gerne Theaterstücke liest und nicht davor zurückscheut sich mit der Judenverfolgung auseinander zu setzen, der ist mit DUNKELSTEIN gut beraten.


Autoreninfo:
Robert Schindel, geboren 1944 in Bad Hall/Oberösterreich, lebt als Lyriker und freier Schriftsteller in Wien. Für seine Publikationen ausgezeichnet mit u. a. dem Erich-Fried-Preis 1993 und dem Eduard-Mörike-Preis 2000.


Mein Dank für das Rezensionsexemplar geht an den Haymon Verlag!

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